Dann am dritten und leider an meinem letzten Tag starteten wir mit dem neuen Frauenprojekt. Da ich ja ärgerlicherweise ohne Sahin angereist war, musste ich nun alles alleine organisieren. Was im Nachhinein sogar noch besser war. Bibas und Heman hatten für mich im Vorfeld den Frauen Bescheid gesagt, sie dachten mit etwa 30 Frauen könnten wir rechnen. Pünktlich auf die Minute erschienen die Frauen, da kamen und kamen und kamen sie. Oh Gott, dass sind mehr als 30 dachte ich, am Schluss waren es 70 Frauen. :) Sie quetschten sich alle in das kleine Klassenzimmer. Und wie Frauen so sind, quatschten sie alle durcheinander, weil sie so aufgeregt waren. Wie zu Hause dachte ich. :) Schnell brachten wir ein bisschen ruhe in die Frauenrunde. Ich hatte ein paar Fragen für sie vorbereitet die ich zusammen mit Heman ihnen stellte. Am Anfang dachte ich noch, ob sie wohl alles erzählen werden, obwohl Heman ein Mann ist? Denn ich hatte auch sehr persönliche Fragen gestellt. Aber sie waren sehr aufgeschlossen, und hatten kein Problem über folgende Fragen zu antworten. Ich wollte wissen, ob es immernoch arrangierte Ehen gibt, sie sagten die Zeiten ändern sich, und man müsse sich anpassen. In der Vergangenheit war es üblich, sich von den Eltern den Partner aussuchen zu lassen, doch heutzutage nicht mehr. Das beruhigte mich sehr. Ab und zu käme es noch vor, wenn die Frau keinen Mann fände. Dann stellte ich ein paar Fragen, wenn die Frauen ihre Periode haben. In einigen Regionen von Nepal kommt es vor, dass die Frauen während dieser Zeit in ein separates Haus müssen, bis die Periode vorbei ist. Hier in Chheskam aber nicht. Sie dürfen aber ihr eigenes Haus während dieser Zeit nicht verlassen. Dann wollte ich wissen ob es wie bei uns Binden oder Tampons gibt. Sie verneinten, sie ziehen dann etwa 5 Unterhosen gleichzeitig an. Wir beschlossen im Oktober, wenn ich wiederkomme, spezielle Unterhosen bringe mit einer Einlage, die sie waschen können. Diese spezielle Unterhose können sie lange verwenden. :)
Dann wollte ich wissen, wie sie ihre Kinder zur Welt bringen. Ich weiss, dass es in einigen Kulturen Hebammen gibt, die das machen. Diese Hebammen sind nicht wie hier ausgebildet, sondern sie lernen die Fähigkeit von ihren Müttern und Grossmüttern. In Chheskam gibt es das nicht, oder nicht mehr. Irgendwie schaffen sie es immer, auch alleine, das Kind zur Welt zu bringen. Entweder schaffen sie es nach Bung ins Spital, oder sie machen es zu Hause. 10% der Kinder kommen leider bei der Geburt um. Früher war die Sterberate bei 50%, hat sich also stark verbessert. Eine Frau erzählte von ihrer ersten Geburt: sie war im Wald am Holzen, als die Wehen einsetzten. Sie setzte sich und gebar das Kind. Die Nabelschnur hatte sie mit der Axt durchtrennt. Und ist dann stolz mit dem Kind nach Hause gelaufen. Natürlich auch mit dem Brennholz. Unglaublich diese Geschichte, oder? Aber ich denke auch, dass es früher bei uns nicht anders war. Als ich ihnen erzählte dass es bei uns Mutterschaftsurlaub gäbe, mussten sie lange lachen. :)
Dann wollte ich wissen was sie nebst der Landwirtschaft, dem besorgen von Feuerholz und Blätter für die Tiere, noch alles machen. Dann kamen wir auf ihre eventuelle Verkaufsmöglichkeit zu sprechen. Seitdem ich in Chheskam bin hatte ich beobachtet, dass die Frauen immer mit einem Faden beschäftigt sind. Sie sind selber am Spinnen. Sie haben kein Spinnrad, sie machen das selber. Und das den ganzen Tag, bei all ihren Tätigkeiten. Wenn sie also Holz heimtragen, sind sie auch am Spinnen. Darum wollte ich wissen wie sie das herstellen. Sie gehen in den Wald und suchen nach Brenneseln, ihre Stängel schenken ihnen die Fasern die sie dann fürs Spinnen brauchen. Nach der Ernte werden die Fasern gewaschen und geglättet, bevor sie dann verwendet werden können. Mit den fertigen Fäden stellen sie dann unglaublich schöne Sachen her. Sie haben einen Webstuhl oder besser gesagt sie sitzen am Boden und weben, Bilder findet ihr am Schluss. Um die Fäden zu färben nehmen sie Haarfärbemittel. Nun das Problem ist jetzt mit den fertigen Sachen, dass sie es nirgends verkaufen können. Dafür wäre Sahin dagewesen. Nun werden Pasang und ich versuchen ein Ort, einen Laden zu finden, wo wir die Produkte für sie verkaufen können. Wir werden mit Lhakpa sprechen, ob er die Produkte in Lukla in seinem zum Hotel gehörenden Laden verkaufen kann. Ich bin gespannt auf seine noch ausstehenden Antwort. Dies wäre für die Frauen eine Möglichkeit, selber Geld zu verdienen. Ich werde euch auf dem Laufenden halten.
Dann wollte ich von den Frauen wissen ob sie Lesen und Schreiben könnten. Sie verneinten natürlich. Ob sie das gerne lernen möchten, fragten wir. Und dann gab es ein wirres durcheinander reden. Sie waren auf einmal ganz aufgeregt. Ich wollte von Heman wissen, was los sei, er sagte nur, das wünschten sie sich sehr. Also teilten wir die grosse Gruppe in drei Gruppen auf, und beschlossen schon morgen damit zu beginnen. Erneutes grosses durcheinander reden. :) Sie hätten aber keine Schreiber, kein Buch, kein Problem sagten wir, das wird alles organisiert. Ich habe von Caran d'ache eine ganze Schachtel Farben bekommen, diese können auch die Frauen verwenden, nicht nur die Kinder. :) Die Hefte zum Schreiben besorgten wir dann im Dorfladen. Der Unterricht findet nun 1x pro Woche bis im Oktober statt. Wenn ich dann wiederkomme, können wir die Frauen zeigen was sie können. Ich freue mich sehr auf dieses Moment.
Dieses Frauenpojekt kommt gut, sehr gut. Ich spüre das. :) Ich bin sehr glücklich, und die Frauen können ihr Glück kaum fassen. Sie sind so froh, nun im Mittelpunkt zu stehen.